„Agapi“

„Agapi“

Meine Damen und Herren, Liebe Karsta, lieber Achim,

ich möchte Sie herzlich zu der Ausstellung von Karsta Lipp und Achim Niemann begrüßen.

Eine Rede über zwei Menschen zu schreiben ist kompliziert wie eine Liebesgeschichte. Die
Ausstellung trägt auch nur einen Titel – Agapi. Es klingt nach einer Formel, die ich nun
auseinander dividieren müsste. Zur Erklärung, muss ich die Worte Karstas nehmen:

Agapi ist griechisch und heisst Liebe und es ist unsere erste gemeinsame Ausstellung und wir lieben uns und arbeiten seit 10 jahren zusammen…

Es klingt ganz einfach, doch ist Leichtigkeit meist nur durch schwere Arbeit zu erzielen, durch Training, wie ein Tänzer für den Sprung…

Agapi….

… fängt für Karsta Lipp ganz einfach in den Zeichenkursen bei Achim Niemann an. Sie hatvorher schon mit Malerei zu tun gehabt, sie hat Graphik studiert und schon immer photographiert. Sie arbeitet und hat drei wunderbare Kinder. Alles geht seinen Gang. Der Kontakt zu Achim gibt ihrem Leben und ihrer Kunst eine Wendung. Seitdem malt sie kontinuierlich, mit einer bewundernswerten Konzentration und Geduld, über Eitelkeiten erhaben. Mit scheinbar immer größerer Leichtigkeit, emanzipiert sie sich von ihrem Lehrer und entwickelt einen eigenen Stil und Größe.

Achim Niemann muss etwas in Karsta Lipp erkannt haben, als Lehrer, Mentor und Partner. Er war Geographie Lehrer bevor er in Berlin Malerei studierte und seither dort lebt und arbeitet. Aber die Geographie hat ihn geprägt. Immer wieder berichtet er fasziniert von Gesteinsverschiebungen, die in der Landschaft zu erkennen sind. Seine Malerei verläuft schichtartig, wie die Bewegungen des Eises. Schicht für Schicht wird langsam eine neue Welt aufgetragen, ein neues Reich geschaffen.

Er ist ein großartiger Lehrer, weil er es schafft, etwas von seinem Sehen zu vermitteln. Mit großem Respekt unterrichtet er Kunststudenten, geistig Behinderte, allgemein Interessierte. Jedem wird die gleiche Fähigkeit zur Malerei zugesprochen. Jeder bekommt das Gefühl, als Individuum geschätzt zu werden.

Doch nur wenige nehmen so konsequent den Kampf um das Bild auf wie es Karsta getan hat. Nur wenige schaffen mit so standfester Geduld, ein Bild überhaupt zu einem Werk zu machen. Man spürt in Karstas Bildern noch die Fotografie, die sich aus dem Täglichen, dem Alltäglichen, Menschlichen ein Stück auswählt und festhält. Es sind alte, schon fast vergessene Fotos, Filmbilder, Ornamente, Orte. Fragmente des Lebens, die über sich selbst hinaus gewachsen sind, das Detail verneinen für die große Form. Bis diese Werke entstehen, die ihre Geschichten
erhöhen und verewigen, sie zu Mythen werden lassen.

Die Farbwelt bei Karsta Lipp ist die Konsequenz der scheinbaren Kargheit in Achim Niemanns Bildern. Als er Karsta Lipp trifft, hat er ebenfalls Kinder, zwei, ebenfalls wunderbar und er ist als Maler etabliert. Mit Karsta beginnt für ihn jedoch auch eine Wende in seinem Leben.

Agapi.

Vielleicht nur zufällig beginnt sich Achim mit Skulpturen zu beschäftigen. Er entwickelt größere Geduld und Aufmerksamkeit den geliebten Dingen und Personen gegenüber. Er wird konsequenter er selbst in seiner Kunst. Er fährt nun regelmäßig mit ihr nach Griechenland. (Übrigens musste er sich mittlerweile auch einen Fotoapparat zulegen, um nicht immer Karstas zu benutzen.)

Seine Werke speisen sich von je her aus der gefundenen Form. Er findet in der Kreideküste von Saßnitz Fossilien, er findet Formen in Mauern, durch Licht, an alten Schildern. Wobei es keine Hierarchie gibt. In der Abstraktion wird der Vordergrund so wichtig wie der Hintergrund, das Positiv wie das Negativ. Aber es ist nichts zufällig, nichts willkürlich. Die Linien schaffen einen klaren Rhythmus, den Ausgleich im Raum. Das was als Nichts erscheint, bedeutet Alles. Menschliche Dramen lassen sich aus den Spannungen der Formen lesen wie die Klarheit der Natur in der Fläche. Man steht wie der Mensch in den Bildern Kaspar David Friedrichs in den Räumen Achim Niemanns. Es wird einem ein Moment übermenschlicher Größe geschenkt, Mythos gewordenes Leben.

Agapi.

Archaische Kräfte, die in jeder Tragödie spürbar sind, in jeder Liebesgeschichte zu lesen sind, finden Sie auch hier in dieser Ausstellung in dem Kampf der Form mit dem Raum, im Kampf der Farbe mit der Form. Nicht zuletzt sind sie Zeugnis der Heldentat, die die Beiden und jeder Maler vollzieht, der sich alleine gegen die Bilderflut behauptet. Wochenlang an nur einem Bild zu arbeiten, einem Fundstück, gegen die Sekundenschnelle im Videostream. Dabei sind ja die Gesichter auf den gefunden Fotos jung wie die Körper der griechischen Statuen, wie die Schnecken, die Achim versteinert an der Kreideküste findet. Jahrzehnte, Jahrhunderte und Jahrtausende in einem Bildnis bewahrt und sie werden von den beiden geehrt wie die Götter in den Tempelstatuen.

Dabei passiert in dieser Ausstellung plötzlich das Unerwartete. Im Hintergrund des Formen-Dramas von Achim Niemann taucht z.B. plötzlich ein Blau von Karsta Lipp auf. Wie im Amphitheater spielen das Meer und der Himmel die Kulisse. Dort plötzlich wird die eine Skulptur in dem Raum von Karstas Bildern zu einem Merkmal, das alles zusammen hält. Zum Rhyhtmus für die Melodie, zum Bass für die Höhen. Wie im Duett finden die Liebenden in diesen Räumen zusammen. Für die Dauer der Ausstellung, in der Rezeption der Zuschauer.

Achim und Karstas Bilder strahlen in demselben Licht. Wie von ihren gemeinsamen Fahrten nach Griechenland beleuchtet. Es ist schon das Licht des Orients, sagt Achim. (ein kurzer Exkurs zu Hugo von Hofmannsthal)

„ Man sagt mir:“ berichtet Hofmannsthal „dies ist das Licht Kleinasiens, das Licht von Palästina, von Persien, von Ägypten… Nichts ist schwerer als in dieser Landschaft zu erraten, ob eine Gestalt nahe oder ferne sei. Das Licht macht sie deutlich und vergeistigt sie zugleich, macht sie zu einem Hauch. …. Die homerischen Götter und Göttinnen treten fortwährend aus der hellen Luft hervor; nichts erscheint natürlicher, sobald man dieses Licht kennt. … Dieses Licht umfängt Gestalten mit Geheimnis und mit Vertraulichkeit zugleich.“

Agapi.

Jeder der beiden erarbeitet seine eigene Welt aus diesen Eindrücken. Jedoch alleine, jeder für Sich. Hugo von Hofmannsthal betont „aber in diesem Licht ist Für-sich-sein nicht gleichbedeutend mit Einsamkeit. Hier oder nirgend ist das Individum geboren: aber zu einem göttlichen und geselligen Geschick.“

Gerade das Individuum wird jedoch misstrauisch von der Liebe betrachtet, die doch immer währende Einheit will. Für die Liebenden ist die Individualität pure Tragödie. Sie ist aber gleichzeitig nur so lebbar. In dieser Ausstellung können sie dies beides beobachten, die Trennung und die Vereinigung.

Bevor ich schließe, möchte ich mich herzlich bei den beiden bedanken. Für das, was ich in den Jahren über Kunst gelernt habe und für das, was ich über die Liebe gelernt habe.

Daher beende ich diese Rede mit dem Satz Karsta Lipps, weil eigentlich alles ganz einfach ist.

Agapi ist griechisch und heisst Liebe und es ist unsere erste gemeinsame Ausstellung und wir lieben uns und arbeiten seit 10 jahren zusammen…

Halina Rasinski, Libnow 2009

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