„Südwärts“

„Südwärts“

Von dem Maler Edmund Kesting stammt der Satz: „Ich bin von der Fotografie zur Malerei und von der Malerei zur Fotografie gekommen. Inneres Geschautes zeigen meine Bilder, äußeres Geschautes meine Fotogestaltungen.“


Karsta Lipp wandte sich verhältnismäßig spät der Malerei zu. Spät innerhalb ihres eigenen Lebens und spät auch innerhalb ihrer eigenen künstlerischen Entwicklung. Die Fotografie aber ist ein Kontinuum dabei und eine der Bedingungen ihrer Bilder geworden. Wer ihre Fotografien sieht, ahnt ihre Bilder und wer ihre Bilder sieht, kann den fotografischen Blick spüren.
Am Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit waren es vor allem zeichnerische und malerische Studien, die sie in Anspruch nahmen. Sie studierte die menschliche Figur aber auch die Fläche, welche dem Künstler zur Verfügung steht. Eine eigene Bildsprache, in der Karsta Lipp auf ihren Bildern Figur, Fläche und Raum miteinander zu verweben und Wirklichkeiten neu zu erschaffen begann, setzte sich mit gewonnener Souveränität und Sicherheit durch, so wie diese umgekehrt zur Ausprägung eines individuellen Formen- und Themenkanons beitrugen. Ihre Motive sind dem Alltag entnommen. Aber es ist nicht der Alltag, dem wir so ohne weiteres begegnen. Es ist ein besonderer, vor allem besonders gesehener Alltag, einer, dem ein forschender Blick auf künstlerische Eigentümlichkeit und Verwertbarkeit vorausging. Manchmal so gut wie im Vorbeigehen erkannt, manchmal zielstrebig gesucht. Es ist die ungekünstelte Authentizität des Lebens, die Karsta Lipp fasziniert, der brüchige Charme seiner sorglos hinterlassenen Spuren, aber auch seine unbekümmerte Gegenwart. Sie sucht Karsta Lipp in ihren Bildern festzuhalten und zu steigern. Dabei ist ihre Malerei ganz und gar von Farbe und Licht, Linie und Fläche gebannt, der Verschachtelung des Raums, der Verschränkung der Zeit. Der Stoff, aus dem sie gewoben ist, der Gegenstand ihrer Bilder, bildet vor allem das Fundament für die Darstellung malerischer Ereignisse. Wie in der hier gezeigten Arbeit „Koy“ können Gegenstände, Figuren und Räume in einen eher fremdartig anmutenden Zusammenhang gebracht werden, um dadurch die Faszination einer bestimmten Situation oder eines bestimmten Ortes bildhaft zu machen. Die großen Pflanzen im Bild befördern die Irritation zwischen Innen und Außen, das graue Blau und gelbe Rot wecken die Assoziation an Schiffskörper und Meer. Erst langsam ertastet das Auge die vor einer Wand mit Fotos sitzende Figur im Hintergrund, beginnt sich der Raum zu ordnen, die Szenerie zu erschließen. Sie ist am Ende bedeutungslos. Schön sind die Flächig- und Farbigkeit des Bildes, welche die Verknüpfung der räumlichen und zeitlichen Ebenen erzeugt.

Werke von Karsta Lipp befinden sich in verschiedenen privaten Sammlungen.

Kathleen Krenzlin, Kunsthalle Wittenhagen 2008

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